In diesem Sommer beschlossen Stefan und ich zu dem wohl geschichtsträchtigsten Ort des Klettersports innerhalb Europas zu pilgern - Les Gorges du Verdon.
Die Gorges du Verdon sind gewaltige Felsschluchten, die im Hinterland der Cote d'Azur liegen. Die Felswände der engen Schlucht erheben sich teilweise bis zu 300 Meter senkrecht in die Höhe. Entstanden ist die Schlucht durch den Gebirgsfluss Verdon, der die Kalkfelsen der Voralpen im Laufe der Zeit ausgewaschen hat. Auf dem Plateau über der Schlucht kann man von zahlreichen Aussichtspunkten (Belvèdere) auf das türkisfarbene Wasserband des Verdons sehen.
Bei Landeck von der Inntalautobahn Richtung Pfunds abzweigen. Von dort gelangt man über die B184 Engadiner Bundesstraße ins Unterengadin. Bei Susch zweigt rechts eine Bergstraße Richtung Davos zum Flüelapass ab.
Vom Flüelapass wählten wir den weiteren Verlauf durch das Oberengadin und vorbei an St. Moritz. Durch das Bergell gelangt man auf italienischen Boden und nach kurzer Fahrt über Chiavenna erreicht man den Como See und unser nächstes Etappenziel dem Camping Platz von Lecco.
Von Lecco Richtung Mailand - Turin - bei Oulx die Autobahn in Richtung Sestriere verlassen und über den Col de Montgenèvre nach Briaçon in Frankreich. Dort Richtung Alpe-d'Huez fahren und rund 10 km vor der Abzweigung nach Alpe-d'Huez links in das Vallée du Vénéno bis nach Les Etages (Aiguille Dibona) oder in den Club Alpin Français in La Bérarde.
Vom Vallée du Vénéno über Grenoble - Gap - Digne-les Bains nach Castallane und von dort in die Gorges du Verdon und nach La Palud sur Verdon.
Von La Palud über Grasse nach Nizza und dort über den schnellsten Weg (Genua - Piacencia - Verona - Brenner) nach Österreich.
Wenige hundert Meter nördlich des Flüelapasses befinden sich herrliche Gneisfelsen die perfekte Kletterrouten bis zu 30 Metern in bombenfesten Fels zu lassen. Von traumhaften Verschneidungen bis hinzu Leistenkletterei wird hier alles geboten (und das in den Schwierigkeitsgraden 4a - 7b.
Unsere Wahl viel auf dieses Gebiet,weil es innerhalb weniger Kilometer Abweichung von unserer geplanten Route erreichbar war und da die Seehöhe eine Garantie für nicht zu schweißtreibendes Klettern in den Sommermonaten sein sollte.
Für einen Ausflug einzig und allein zu diesem Gebiet ist wohl die Routenanzahl zu gering, sollte jedoch die Urlaubsroute in der Nähe dieser Felsen verlaufen, ist ein "kühler Besuch" wärmstens zu empfehlen.
Topos sind im Internet auf der Homepage von bigwall.ch erhältlich.
Von Lecco erhofften wir uns einen ausgiebigen Klettergartentag, sowie einen darauffolgenden Pausetag inklusive Badespass am Como See.
Als wir am Samstag spät abends in der Gegend ankamen, konnten wir keinen passenden Campingplatz mehr finden. Somit waren wir verdonnert unsere erste Nacht im Auto zu verbringen.
Am nächsten Morgen beschlossen wir ein Gebiet zu besuchen von dem abgeraten wird unter der Woche zu klettern, da man sich in unmittelbarer Nähe eines Industriegebietes befindet. Dies war aber am Sonntag kein Problem und der schattige Klettergarten namens Val dell'Oro bescherte uns einen Tag voller ausgiebiger Kletterei in kniffeligen Routen, in allen Schwierigkeitsgraden (ab 5c) und bestem Kalk. Die Route Disperazione 6a/6a+ überzeugte uns am meisten. Mit gerader Linie und athletischer Kletterei ist sie sicherlich eine Empfehlung wert.
Unterkunft: Unser Zelt bauten wir am Campeggio Rivabella in Lecco (via Alla Spiaggia 35, Tel. 0341-421143) auf, der am südlich Ende von Lecco an einem Nebensee des Lago di Como gelegen ist. Dieser Campingplatz war für die eher teuere Gegend im Süden des Sees günstig. Außerdem bietet der direkte Seezugang nach anstrengender Kletterei eine willkommene Erfrischung.
Bei unserer Tourenplanung entschlossen wir uns nur aufgrund einer Topo-Skizze die im deutschen Klettermagazin Klettern im Mai 2005 erschienen ist, eine Mehrseillängenroute im südfranzösischen Ecrins-Massiv zu bezwingen. Mit eben nur dieser Skizze in der Tasche und ohne jegliche weitere Information, ließen wir uns vom Glück leiten und kamen nach einsamer Fahrt durch endlose Bergtäler im Vallée du Vénéno an.
Zu Füßen der höchsten Berge im Oisans (Meije, Barre des Écrins und Ailefroide) am Zusammenfluss von Vénéon und Etançons-Bach gelegen, ist La Bérarde im Herzen des Écrins-Massivs ein Mekka für Alpinisten, Wanderer und Naturfreunde. Es verfügt über einen Campingplatz, ein Alpin-Zentrum »Centre Alpin Français« des französischen Alpenvereins CAF (geöffnet von Mitte Juni bis Mitte September, Übernachtungsmöglichkeit) und Restaurants. Wenige Kilometer davor schlängelt sich ein Weg vom Bergweiler Les Etages zum Soreiller.
Nach 2 bis 3-stündigem Zustieg erreicht man das Refuge. Hinter dem Refuge baut sich die 300 Meter hohe Südwand des imposant wirkenden Gipfels Aiguille Dibona auf. Der Berg hat seinen Namen (Aiguille = Nadel) wortwörtlich verdient und lässt ein jedes Bergsteiger Herz beim ersten Anblick höher schlagen.
Stefan in Speedy 6b (A0 5b)
Von allen Seiten des Berges gibt es mehrere Möglichkeiten den Gipfel zu bezwingen. Die leichteren Routen sind spärlich gesichert, doch es gibt auch vernünftig gesicherte Routen in höheren Schwierigkeitsgraden. Nachdem wir in den Routen Speedy 6b (A0 5b) und Paul 6a, Bekanntschaft mit dem grau-roten Granit geschlossen haben, fiel unsere Wahl auf die uns durch das Klettermagazin bekannte Route Visite Obligatoire 6a. Die Route schlängelt sich durch die gesamte 300 Meter hohe Südwand des Aiguille Dibona. Markant an dieser Route ist, dass von 15 zu kletternden Seillängen 9 im Grad 6a zu absolvieren sind. Somit wird diese Route zu einem ernstzunehmenden und anstrengenden alpinen Abenteuer für uns. Die ersten 5 Seillängen bieten beste Plattenkletterei, bevor man in den stärker zerklüfteten Teil der Nadel gelangt, die nach athletischer Kletterei verlangt. Obwohl die Schlüsselstellen klug abgesichert sind, findet man sich öfters 6 Meter ohne Sicherung wieder. Deswegen sind ein Sortiment Friends (von 0,33 – 3) und Klemmkeile zu empfehlen.
Auf alle Fälle ist diese Route mit samt dem einmaligen alpine Erlebnis einem jeden stark zu empfehlen der sich in der Gegend aufhält. La Bérarde entpuppte sich generell als geheimes Kletterzentrum, das sowohl Sportklettermöglichkeiten als auch unzählige Mehrseillängenrouten auf verschiedene Gipfel weit über 3000 Meter bietet. Nebenbei kann man bei einem Aufenthalt eventuell noch den südlichsten 4000er der Alpen, den Barre des Ecrins, bezwingen.
Das Refuge Soreiller
Unterkunft: Da wir am ersten Abend das Refuge Soreiller wegen starkem Gewitter nicht erreichen konnten, stolperten wir durch mehr Glück als Verstand in das Refuge des französischen Alpenvereins CAF in La Bérarde. Der Gardien Jean Same bescherte uns einen freundlichen Empfang, köstliche Verpflegung und leichte morgendliche Kopfschmerzen und das alles zu einem Spotpreis (1,5 l Vin Rouge, Fromage et Pain für 2 Personen und Bettenlager für 2 Personen für € 29,--) – daher stark zu empfehlen. Unsere zweite Nacht verbrachten wir im Refuge Soreiller auf über 2700 Metern. Das Bettenlager sowie die Verpflegung (spezielles Menü für Vegetarier auf Anfrage) waren vorzüglich. Lediglich der Preis war gehobener, das sich durch die Tatsache erklärt, dass die Lebensmittel per Hubschrauber eingeflogen werden müssen.
Nach einer knappen Woche erreichten wir unser eigentliches Ziel der Rundreise die Gorges du Verdon. Unsere Spannung war natürlich sehr groß, denn die Geschichten die uns von Beginn unserer Kletterzeit an erzählt wurden, waren schauderhaft und faszinierend zu gleich. Es war die Rede von Abseilaktionen in 300 Meter hohe Wände inklusive stundenlangem Weg aus der Schlucht bei beinahem Verdursten; man munkelte von meterweiten Hakenabständen die einen zu 10-Meter-Plus-Stürzen einladen; etc. Obwohl die endgültige Ausführung dieser Geschichten meist von Übertreibungen geritten sind, basieren so manche Details doch auf tatsächlichen Fakten. Gerade deswegen schafft es die Verdonschlucht trotz jahrelangem Klettern und bereits verblassender Boomzeit den Mythos – Verdon - aufrecht zu erhalten und gerecht zu werden.
Valaute Ouest
Zum Einklettern entschlossen wir uns einen Klettergarten aufzusuchen, um die Kletterei gewohnt zu werden und noch nicht Kopf und Kragen riskieren zu müssen. Wir besuchten den Klettergarten Valaute (ouest) der innerhalb von 15 Minuten auf mit Steinmännern markierten Weg einfach zu finden war. Der Klettergarten war perfekt abgesichert und bot Routen in den Schwierigkeitsgraden von 4a – 7a. Somit ist er für den Einstieg zu empfehlen. Wer jedoch das wahre Verdon-Feeling spüren will, wird in diesem Sektor wohl mit wehen Gefühlen zu den imposanten Felswänden gegenüber starren.
Wandteil mit der Route Wide is Love 6a
Stefan in Les Dalles 5c+
Stefan im Quergang von El Gringo Loco 6a
Simon in der 100m Verschneidung von Saut d'homme 6a
Belvedère Carelle
Am Abend dieses Tages wollten wir dann Verdon erleben – und uns das erste Mal in den Schlund der Schlucht begeben. Dafür eignet sich der Bereich um den Belvèdere Carelle besonders, da man das Auto direkt bei den Routen parken kann, die Abseilpisten klar ersichtlich sind und Routen in allen Schwierigkeitsgraden vorzufinden sind.
Unsere Wahl viel auf die Route Wide is Love 6a, die wir im Top-Rope-Stil kletterten. Zu unserer Freude fanden wir die Route auf einigen Postkarten wieder. Nicht nur deswegen, sondern auch wegen der traumhaften Kletterei im kompakten Kalk und dem eleganten Abschluss-Dacherl ist diese Route jedem Kletterer, den es ins Verdon verschlägt, stark zu empfehlen.
Malines
Dieser Bereich zeichnet sich dadurch aus, dass man die meisten Routen über einen kleinen Steig erreichen kann und sich somit manche nervenaufreibende Abseilfahrt spart. Die Route, die wir in diesem Sektor gewählt haben, Les Dalles 5c+, konnte hingegen nicht gänzlich überzeugen. Drei Seillängen im obersten Bereich waren wirklich 1a und haben kaum Wünsche übriggelassen. Da diese Route jedoch aus 9 SL (250 m) bestand und der Rest mit viel Botanik und Schroffengelände aufwartete, konnte sie uns nicht überzeugen. Während unserer Kletterei spähten wir doch des öfteren (voller Neid) zu den Nachbarrouten, die bei gehobenerem Schwierigkeitsgrad durchaus ansprechende Linienführung durch kompakten Kalk boten. Daher Sektor zu empfehlen, jedoch andere Route wählen.
Dent d’Air
Dieser Sektor ist am gleichnamigen Belvèdere gelegen und bietet drei Routen im unteren 6. franzosen Grad mit einer Länge von jeweils 90 Metern. Die Kletterei ist abwechslungsreich und (speziell in der Route Dolce Vita 6a+) ein einmaliges Bespiel für die vielfältigen Möglichkeiten wie Griffe in der Verdonschlucht aussehen können. Wegen der Länge und dem nichtvorhandenen Zustieg drängen sich diese Routen förmlich für früh abendliches Klettervergnügen auf.
Saut d’homme
Saut d’homme befindet sich auf halben Weg zwischen den Belvèderen Carelle und Dent d’Air. Vom Belvèdere Carelle kommend parkt man nach dem Steinmann mit der Aufschrift Fenestir (3. od. 4. Steinmann) und folgt dem nächsten Steinmann Richtung Belvèdere Dent d’Air zu der Kante der Schlucht. Da der Zustieg nicht 100%ig einfach zu finden ist, wurde am Sektor ein Schild mit der Aufschrift „Sektor Saut d’homme“ befestigt, um etwaige fälschliche Abseilaktionen vorzubeugen. Die von uns gewählte Route trug ebenfalls den Namen des Sektors und beeindruckte durch 100 Meter pures Riss- und Verschneidungsvergnügen – Saut d’homme 6a. Für alle die Verschneidungskletterei lieben, oder einen Crashkurs in dieser Spielart absolvieren wollen, ist diese Route stark zu empfehlen.
Der Lac de Sainte Croix von oben
Moustiers
Direkt über dem idyllischen Dorf Moustiers erheben sich die Felsen eines kleinen aber doch feinen Klettergartens. Parkmöglichkeiten sind haufenweise vorhanden, da man das Auto auf dem Parkplatz der örtlichen Ruine (Touristenziel) abstellt. Wir besuchten diesen Klettergarten, weil wir anschließend im See – Lac de Sainte Croix – schwimmen wollten. Für einen Extra-Ausflug zahlt sich dieser Bereich eher nicht aus, da nur eine handvoll Routen vorzufinden sind. Die Routen erfordern durch ihre Absicherung Vorstiegsmoral und es muss an einem Bohrhaken abgeseilt werden. Daher nur zu empfehlen, wenn man anschließend das kühle Nass des Sees aufsucht.
Unterkunft: In der Umgebung von La Palud gibt es mehrere Campingplätze. Da wir am ersten Tag (Pausetag) genügend Zeit hatten um die verschiedenen Plätze zu vergleichen, können wir nur den Campingplatz „Camping de Bourbon“ am Ortsende (Richtung Moustiers) empfehlen. Der Campingplatz war außerordentlich sauber, nebenbei war er nicht der größte (und somit familienreichste). Hervorzuheben ist auch die Freundlichkeit des Besitzers J.P. Audibert und seinem Angebot an französischem Landwein (um € 4,-- per bouteille).
Dieser Urlaub kann wirklich einem jeden Kletterfreak empfohlen werden, gerade weil sich auch die Kosten in Grenzen halten. Bei der Hinfahrt meidet man jegliche Mautstraßen und das Campen in Frankreich entpuppte sich als äußerst preiswert. Für genauere Details stehen die Autoren Simon und Stefan natürlich gerne zu Verfügung.
Um noch ein paar allgemeine Daten des Urlaubs zu nennen:
Strecke: 2.535 km
Dauer der Fahrt: 39h 20min
Verpflegung: 15l Vin Rouge, 12l Bier, 2,5kg Fromage